Die Pest in Wien (B010V4R0MK) by Hilde Schmölzer

Die Pest in Wien (B010V4R0MK) by Hilde Schmölzer

Autor:Hilde Schmölzer [Schmölzer, Hilde]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Haymon Verlag
veröffentlicht: 2015-07-03T04:00:00+00:00


Schnabeldoktoren und »Pestwürmlien im Gebluet«

Obwohl inzwischen rund dreihundert Jahre vergangen waren, hatte sich die medizinische Wissenschaft im 17. Jahrhundert nicht allzu weit von ihrem Stand im Mittelalter entfernt. Es werden nach wie vor Aderlass und Irrigation (Einlauf) als Universalmittel empfohlen und die großen Vorbilder Galen und Hippokrates zitiert. Wohl hatten die Naturwissenschaften, allen voran die Astronomie, und die Entdeckung fremder Erdteile zu einem neuen Weltbild geführt, wohl hatte auch die Kenntnis vom Bau der Körperfunktionen ganz wesentliche Fortschritte gemacht. Malpighi hatte die roten Blutkörperchen entdeckt, William Harvey den Blutkreislauf und Nikolaus Stenonis das Herz als dessen Zentrum, wofür man früher die Leber hielt. Trotzdem war die praktische Auswertung dieser fundamentalen Erkenntnisse relativ mager geblieben. Man doktorte immer noch mit den üblichen Salben und Sälblein herum, die, obwohl quantitativ zu riesigem Ausmaß angewachsen, qualitativ keine wesentliche Veränderung erfahren hatten. Immerhin gab es jetzt bereits mehr Ärzte, es gab auch einheimische Größen und nicht nur solche aus dem fernen Italien oder Frankreich. Der Ärztestand war auch etwas mehr zu Ansehen gekommen, wenngleich er immer noch um Anerkennung zu kämpfen hatte und gegen »Quacksalber und Kurpfuscher« zu Felde zog. Tausende von heilkundigen Frauen starben in dieser Auseinandersetzung zwischen altem magischem Kräuterwissen und junger Wissenschaft auf dem Scheiterhaufen. Die Heilmethoden der Medizin – vor allem was die Pest betraf – waren trotzdem von einer ähnlichen Hilflosigkeit gekennzeichnet wie jene des Mittelalters. Das scheint auch nicht verwunderlich, war doch für die medizinische Fakultät nie Geld vorhanden, die Professoren erhielten ein jämmerliches Gehalt von 12 Gulden jährlich – das war die Hälfte von dem, was ein kaiserlicher Diener bekam – und konnten sich vor dem Hungertod nur retten, indem sie sich in einer Privatpraxis verausgabten. Denn nur wenige hatten das Glück, kaiserlicher Leibarzt mit 1.000 bis 2.000 Gulden jährlich oder doch zumindest Hofarzt für die Mitglieder des Hofstaates zu werden.

Das Misstrauen, das dem Ärztestand häufig entgegengebracht wurde, scheint auch nicht immer ganz unbegründet gewesen zu sein, wie diverse, immer wiederkehrende Verordnungen beweisen. Darin wird den Ärzten unter anderem empfohlen, dass sie »ganz ernstlich und bey hoher Straff … die Trunckenheit meyden, in Haylung der Personen, an ihren Fleiß und Mühe, auch gegen den Unvermögenden, nichts erwinden lassen, die Instrumente rain und sauber halten, und die so sie bey den Pestsüchtigen apliciert haben, weiters zu den gesundten nicht brauchen«. Auch Sorbait wetterte gegen die Aufgeblasenheit der Jungärzte und im Jahre 1667 kam ein Regierungsdekret heraus, das die – offenbar üblichen – kostspieligen Schmausereien während der Visitationen untersagte.

Einen interessanten Einblick in das medizinische Wissen dieser Zeit gibt uns die Pestschrift des niederösterreichischen Landschaftsarztes Dr. Jacobus Horst aus dem Jahre 1583, die das älteste erhaltene Pestgutachten darstellt. Auch hier mischt sich mittelalterliches mit neuzeitlichem Denken. Vorerst wird zwischen zweierlei »Pestilenzen« unterschieden: jener, die durch einen furchtbaren göttlichen Zorn entstehe und bei der sich daher menschliches Bemühen schon von vornherein als ziemlich fruchtlos erweise, und einer anderen, die auf einen etwas geringeren Zorn Gottes zurückzuführen sei, weshalb hier die Heilungsaussichten durch »natürliche Mittel« bereits etwas günstiger lägen. Nachdem nach solchen



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